Sachverhalt

Der Kläger K beantragte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen sowie Restschuldbefreiung. Das Insolvenzverfahren wurde 2015 eröffnet, und das FA meldete Steuerforderungen i. H. v. 111.786,40 EUR zur Tabelle an. 2016 wurde der K durch Strafbefehl rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe verurteilt. Daraufhin berichtigte das FA die Anmeldung zur Tabelle dahingehend, dass ein Teilbetrag i. H. v. 68.472,95 EUR im Zusammenhang mit einer Steuerstraftat stehe und insoweit die Restschuldbefreiung ausgeschlossen sei, § 302 Nr. 1 InsO. Der K widersprach dem gegenüber dem Insolvenzgericht, § 175 Abs. 2 InsO. Bevor der Schlusstermin abgehalten und das Insolvenzverfahren nach § 200 InsO 2019 aufgehoben wurde, erließ das FA gegenüber dem K einen Bescheid, wonach die Restschuldbefreiung i. H. d. Teilbetrags wegen einer rechtskräftigen Verurteilung des K nach § 370 AO ausgeschlossen sei, mithin die Steuerforderung im Zusammenhang mit einer Steuerhinterziehung stehe. Dagegen legte der K erfolglos Einspruch beim FA ein.

Das Finanzgericht urteilte zugunsten des Finanzamtes

Das FA konnte den Bescheid erlassen, auch wenn die rechtskräftige Verurteilung erst nach der Anmeldung zur Insolvenztabelle erfolgte (OLG Hamm 14.12.18, 7 U 58/17, ZInsO 19, 797: bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung). Eine zeitliche Grenze ergibt sich nur aus dem Ablauf der Abtretungsfrist (§ 287 Abs. 2 InsO) ‒ damals sechs, heute drei Jahre (BGH 7.5.13, IX ZR 151/12, NJW 13, 3300).

Auch mussten, um die Restschuldbefreiung versagen zu können, nicht bei der Anmeldung zur Tabelle bereits die Tatsachen vom FA vorgetragen werden, die für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung sprechen.

Der Ausschluss der Restschuldbefreiung erfasst dabei auch steuerliche Nebenleistungen (insbesondere Zinsen und Säumniszuschläge; BFH 7.8.18, VII R 24, 25/17, BStBl II 19, 19; BGH 1.10.20, IX ZR 199/19, NJW-RR 20, 1504; a. A. OLG Hamm 14.12.18, 7 U 58/17, ZInsO 19, 797, nur wenn die steuerlichen Nebenleistungen Gegenstand der rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung sind).

Unter einer rechtskräftigen Verurteilung i. S. v. § 302 Nr. 1 InsO wird ein Urteil bzw. ein Strafbefehl verstanden. Im Strafbefehl kann auch nach § 407 Abs. 2 Nr. 1 StPO eine Verurteilung vorbehalten bleiben (BGH 16.2.12, IX ZB 113/11, NJW 12, 1215). Denn § 302 Nr. 1 InsO fordert keine gewisse Erheblichkeit der Sanktion (BFH 7.8.18, VII R 24, 25/17, BStBl II 19, 19). Da diese Norm dazu dient, dem Insolvenzgericht die Feststellung der Voraussetzungen der Straftat zu ersparen (BFH 7.8.18;VII R 24, 25/17, BStBl II 19, 19), wird eine Einstellung nach § 153a StPO m. E. in diesem Zusammenhang nicht ausreichen.

Aus § 174 Abs. 2 InsO ergibt sich aber Folgendes: Bei Forderungsanmeldung zur Tabelle hätte das FA angeben müssen, dass der Forderung eine Steuerhinterziehung zugrunde lag. Diese Angabe macht der Gesetzgeber mit zur Voraussetzung, dass § 302 Nr. 1 InsO greift (BT-Drucksache 17/11268, 32; Blersch/Goetsch/Haas, InsO Komm., 2014, § 302, Rn. 8 und 9). Insofern ist fraglich, ob die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg in der Revision standhält.

Zudem ist es strittig, dass auch steuerliche Nebenleistungen von § 302 Nr. 1 InsO umfasst werden (Henning in: Schmidt, InsO Komm., 19. Aufl. ; § 302, Rn. 9).

Auch eine gänzliche Versagung der Restschuldbefreiung kommt bei einer Steuerstraftat nach § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Betracht, wohingegen der Ausschluss nach § 302 Nr. 1 InsO sich nur partiell auf die entsprechende steuerliche Forderung bezieht (Gehm, Kompendium Steuerstrafrecht, 3. Aufl., S. 537).

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